Woche 39 in 2025 im Rückblick
Die Woche begann mit einem Gefühl von Unruhe. Seit der Zeitumstellung zeigen Mikas Messgeräte etwas, das seinem Ordnungssinn spürbar widerspricht: Zeitstempel, die schubweise um mehrere Sekunden springen. Zwei, manchmal achtzehn – immer dann, wenn er gerade glaubt, dass alles stabil läuft. An der Donau zieht leichter Nebel über das Wasser, und während die Stadt in die graue Herbstluft übergeht, richtet Mika unter seinem Arbeitstisch Kabel und Adapter, als könne das äußere Aufräumen etwas im Inneren beruhigen.
In der ersten Szene, am Montag, protokolliert er akribisch: Die GPS‑Rohdaten und der 1PPS‑Impuls bleiben sauber, der HDOP‑Wert liegt unter 1, das System scheint eigentlich stabil. Trotzdem springen die systeminternen Sekunden. Der Verdacht fällt auf die Zeitquelle: Vielleicht der NTP‑Dienst, der seit der Zeitumstellung gelegentlich eine harte Korrektur („step“) durchführt, statt kontinuierlich zu „slewen“. Mika startet eine 30‑minütige Holdover‑Messung, will danach einen 24‑Stunden‑Durchlauf ohne Netzzeit starten. Er spricht im Labor von „Sprungzeitpunkten“, im Kopf arbeitet noch die Szene von der Donau nach – eine dunkle Silhouette, unscharf, aber eindrücklich, als würde ihm jemand zusehen.
Die zweite Szene spielt am Dienstag: Noch immer springen die Sekunden. Der 1Hz‑Takt ist stabil, aber das Systemlog verrät unregelmäßige Korrekturen des Kernels. Mika deaktiviert die automatischen NTP‑Steps. Er will nur die sanften slew‑Korrekturen zulassen und beobachtet, was das Betriebssystem ohne harte Eingriffe tut. Nebenbei lässt er ein Spektrumssweep laufen, um elektromagnetische Störungen auszuschließen. Die Entscheidung für einen „Slew‑only‑Test“ ist praktisch wie psychologisch – sie trennt das Zufällige vom Gesteuerten. Wenn die Uhr sich selbst überlassen bleibt, zeigt sich, welche Kraft tatsächlich zieht.
Mittwoch und Donnerstag verdichten sich die Beobachtungen. Mika berichtet von „Kernel‑Sekunden‑Sprüngen“ trotz sauberem 1PPS. Er prüft Verbinder, Antennenmast, Spannungsversorgung. Alle mechanischen Ursachen scheinen fest im Griff, doch in den Logs klaffen Sekundenlöcher. In der Werkstatt riecht es nach Lötzinn und Staub, auf dem Bildschirm laufen Kernel‑Offsets, GPIO‑Impulse und RF‑Spektren synchron mit. Gleichzeitig wiederholt sich das Ritual: ein Spaziergang zur Donau, dieselbe Silhouette, dieselbe Mischung aus Neugier und Ratlosigkeit. Da nennt er das Phänomen erstmals „Halloween‑Mystery“. Vielleicht, weil es genau diesen Zwischenraum besetzt – zwischen Messbarkeit und Gefühl.
Am Freitag beschreibt er die Situation als „Mini‑Experiment“. Der Test läuft inzwischen als längerer Durchlauf im Slew‑Only‑Modus. Ziel ist, alle Daten auf 1PPS‑Zielzeit zu normalisieren und mögliche Korrelationen zwischen RF‑Peaks und Zeitsprüngen sichtbar zu machen. Die benutzten Begriffe – OCXO, Kernel‑Offset, VSWR – klingen nüchtern, stehen aber für eine einfache Frage: Verbiegt sich irgendwo die Zeit, oder ist das nur ein Rechenfehler? Für ein Projekt, das präzise Zeit‑ und Raumdaten braucht, ist das mehr als ein technisches Ärgernis – es betrifft die Grundannahme, wie sich Vertrauen aufbaut: zwischen Messgerät und Realität.
Samstag bringt erste Ordnung in die Daten. Mika sitzt unter dem Garagendach, prüft die Antennenkabel. Wieder bestätigt sich: Die GPS‑Impulse kommen zuverlässig jede Sekunde. Trotzdem setzen in den Logs Zeitsprünge von 2 bis 18 Sekunden ein – auch ohne NTP. Er sammelt 48 Stunden Messwerte: Kernel‑Offsets, 1PPS‑Timestamps, Signaltopfen aus dem RF‑Sweep. Dann normalisiert er alles auf den 1PPS‑Takt und sucht Korrelationsmuster. Ein „RF‑Peak“ kurz vor einem Sprung? Ein Hinweis vielleicht. Oder nur Rauschen.
Die letzte Szene am Sonntag knüpft daran an: Der 24‑Stunden‑No‑NTP‑Holdover läuft weiter. Mika vergleicht drei Zeitbasen – TSC, RTC und 1PPS – und prüft, wie stabil sie gegeneinander stehen. Er hat sogar den Antennenspacer von 1 mm auf 0,5 mm reduziert, um mögliche Hochfrequenz‑Reflexionen zu verändern. Das WLAN flackert zwischendurch, der Buffer fängt es ab. Statistische Methoden – IQR, Bootstrap, Mann‑Whitney – stehen als nächste Werkzeuge bereit. Sie sollen helfen, ob die gemessenen Abweichungen zufällig oder systematisch sind. Dabei schwingt ein größerer Gedanke mit: Dass präzise Zeit ein fragiles Konstrukt bleibt, besonders dann, wenn sie von vielen Schichten abhängt – Hardware, Kernel, Funk, Klima.
Und doch zeigt diese Woche, dass sich jede Spur, so klein sie ist, erst im Zusammenspiel der Ebenen verstehen lässt. Zeitsprünge von wenigen Sekunden können aus der Perspektive einer experimentellen Mission bedeuten, dass Datenreihen brechen oder Satellitenereignisse verschoben erscheinen. Deshalb ist Mikas Hartnäckigkeit mehr als bloßer Ehrgeiz. Sie ist Teil des Lernprozesses, wie Systeme reagieren, wenn sie aus der gewohnten Taktung fallen.
Nächste Woche will er die Cluster‑Analyse der Sprungevents fertigstellen, die Spacer‑Reduktion statistisch auswerten und die Community um eigene 1PPS‑Logs bitten. Am Donauufer, so stellt er sich vor, wird das Wasser wieder grau und ruhig sein. Vielleicht taucht die Silhouette noch einmal auf – oder sie war immer nur ein Schatten seiner eigenen Zeitsprünge.
Zum Nachlesen
- Tag 46 – Warum springen meine Zeitstempel plötzlich um 2–18 s?
- Die Silhouette an der Donau lässt mich nicht los
- Tag 47 — Mittags‑Update: Wer treibt die 1Hz‑Sprünge? Kurzer Check vor dem 24‑h‑Run
- 30‑Min Slew‑Only: Wer springt mir die Sekunde?
- Kernel‑Sekunden‑Sprünge (2–18 s) trotz sauberem 1PPS — Kurzupdate & aktuelles Testprotokoll
- Aufräumen, Donau und ein kleines Rätsel
- Tag 50 — 2–18 s Kernel‑Sprünge trotz stabiler 1PPS: Kurzstatus & Mini‑Experiment
- Tag 51 — 2–18 s Zeitsprünge trotz stabilem 1PPS: Schnellcheck und Mini‑Experiment
- Tag 52 — Holdover weiter: TSC vs RTC vs 1PPS und Korrelation mit RF‑Peaks
Viele Grüße aus Passau,
Mika von Donau2Space