Passau schläft – aber ich nicht. Die Donau fließt schwarz und träge durch das Flussdreieck, ihr Rauschen mischt sich mit dem Brummen der Stadt, die gerade erst verstummt. Mein Atem zieht kleine Nebelwolken zwischen Kabeln, Laptops und kaltem Aluminium. Nachtzeit ist Messzeit.
Standort und Vorbereitung
22 Uhr. Ich habe mir diesmal einen Punkt etwas abseits der Promenade gesucht, gleich beim kleinen Steg unterhalb der Brücke. Das Wasser läuft ruhig; nur manchmal bricht etwas Treibgut die Oberfläche. Ich prüfe den Batteriestatus – 93 %, reicht für Stunden. Kabel liegen in sauberen Schleifen, Laptop auf einer isolierten Holzplatte. Jeder Handgriff klickt und klirrt.
Setup-Check
- Mikro 1 (Kondensator, Rode NT1‑A) auf 45° zur Strömung
- Mikro 2 (Richtcharakteristik, Richtung Stadtseite)
- Audiointerface via USB, Samplerate 96 kHz
- FFT‑Auflösung: 4096 Samples
Ein erster Testton bei 1 kHz zeigt stabile Pegel. Dann – plopp. Einer der XLR‑Stecker verliert kurz Kontakt. Mini‑Story 1: Fail & Fix. Der Stecker war leicht feucht, Kondenswasser. Ich ziehe ihn ab, puste trocken, wickle ein Papiertaschentuch darum. Improvisation 101, aber es funktioniert. Das kleine LED‑Lämpchen leuchtet wieder durch.
Erste Aufnahmen – Donau als Schwingung
23 Uhr. Die Pegelanzeige zuckt. Der Wind kommt böiger, knapp 6 km/h laut Sensor (Hinweis: genaue Einheit aus Rohtext fehlte). Ich starte die Aufnahme:
[LOG 23:04] FFT_peak: 47.93 Hz (Wassergrundrauschen)
[LOG 23:06] spike@2412 Hz (Vogelruf?)
[LOG 23:11] harmonic_band@120–180 Hz (Fernverkehrsbrücke)
Ich sehe die Frequenzen tanzen, als wäre der Fluss ein riesiger Synthesizer. Diesmal dokumentiere ich jede Änderung: Windrichtung, Luftfeuchte (ca. 91 %), und Temperatur (6,8 °C). Die Donau antwortet wie ein lebendes Filter.
Vergleichsmessung 1: Altaufnahmen vs. Heute
Ich lade schnell eine Aufnahmedatei von vor einer Woche. Die alten Peaks lagen bei ~52 Hz, heute leicht niedriger. Daraus schließe ich: weniger Turbulenz an der Oberfläche, der Wasserstand war damals höher. Kleine Unterschiede, aber erkennbar.
Improvisierter Zweittest
Kurz nach Mitternacht will ich wissen, was die Stadtseite beiträgt. Ich nehme das Richtmikro und drehe es Richtung Altstadt. Paar Sekunden Stille – dann die überraschend klare Resonanz eines entfernten Kirchturmgeläuts (leicht verzögert, ca. 380 Hz Grundton). Ich speichere das Spektrum – Zwischenmessung 2 abgeschlossen.
Mini‑Story 2: Begegnung. Eine Joggerin bleibt stehen, gestikulierend: „Was machst du da?“ Ich erkläre halb im Dunkeln, dass ich das Rauschen der Donau vermesse. Sie lacht, sagt, das klinge nach Science‑Fiction, und läuft weiter. Ich bleibe zurück, ein bisschen stolz und ein bisschen nerdig ertappt.
Algorithmisches Porträt der Nacht
Zwischen ein und drei Uhr verschmilzt das alles. Ich exportiere Segmente zu MATLAB, überlagere zehn Minuten‑Fenster, bilde Mittelwerte, Subtraktionen, Farbmasken. So wächst ein Klangporträt, das an eine akustische Langzeitbelichtung erinnert. Die Parameter:
| Parameter | Wert | Bedeutung |
|———–:|——|———–|
| FFT‑Größe | 8192 | feinere Frequenzauflösung |
| Window | Hanning | glatte Übergänge |
| Overlap | 50 % | detailreiche Zeitauflösung |
Das Ergebnis zeigt drei dominante Linien bei ca. 48 Hz, 240 Hz und 2,4 kHz. Wasser, Brücke, Vogel. Der Rest ist Rauschen, aber poetisches.
Ein kurzer Schreck, als plötzlich das Notebook friert. Der Prozessor schwitzt, wohl durch Kälte‑Tau‑Mix. Ich starte neu; Logs bleiben erhalten. Glück gehabt.
Rückgabe an den Fluss
Gegen vier Uhr ist alles still, nur die Donau summt. Ich schließe meinen kleinen Lautsprecher an und spiele das generierte Sample – eine sanfte Mischung aus moduliertem Rauschen und gefiltertem Spektrum. Im Licht der Stirnlampe sehe ich, wie winzige Wellenkreise davonlaufen. Keine messbare Resonanz, aber fühlbare.
Ein Windstoß trägt den Klang weiter. Ich finde das schön: Daten werden zu Bewegung, Messung zu Musik.
Fazit und Ausblick
Fünf Uhr. Die Stadt schläft noch, aber am östlichen Rand ahnt man den Grauschleier des Morgens. Ich sichere die Files, markiere Notizen: „bessere Entfeuchtung für Stecker“, „Vergleich bei höherem Pegel“. Die Nacht hat mich wieder einmal gelehrt, wie dünn die Linie ist zwischen Experiment und Meditation.
Donau2Space bleibt mein Weg, Gefühle in Werte zu übersetzen – und zurück.
Equipment (Auszug, aktualisiert)
- 2 × Kondensatormikrofone (Rode NT1‑A, Richtcharakteristik)
- Wettergeschützter T‑Ständer (Alu, klappbar)
- Audiointerface USB (Samplerate max 96 kHz)
- Laptop mit SpectrumLab & FFT‑Skripten (MATLAB‑Bridge)
- Kopfhörer (linear)
- Netzfreier Powerbank‑Inverter
- Mini‑Lautsprecher (spritzwassergeschützt)
Und mein zerknittertes Notizbuch, in dem jede Frequenz eine Geschichte bekommt.
Bonus‑Segment D
Mitmachen & Nachbauen
Wer legal und sicher experimentieren will: nehmt handelsübliche Mikrofone, bleibt auf öffentlichem Ufer und achtet auf Spritzwasser. Kurze Sessions von 10–15 Minuten reichen, um erste Frequenzlandschaften zu sehen. Temperaturen < 10 °C? Haltet Akku warm!
Was ich nächstes Mal anders mache
- Stecker gegen Feuchte isolieren.
- Zusätzlichen Hydrophon‑Test unter der Oberfläche (genehmigte Zone) planen.
- FFT‑Skripte automatisiert loggen statt manuell tippen.
- Vergleichsmessung bei Tagesverkehr.
Mini‑Datenreport
- Wassergrundrauschen stabil bei ~48 Hz (±2 Hz).
- Vogelruf‑Peak zwischen 2,38 – 2,42 kHz.
- Durchschnittstemperatur 6,8 °C, Luftfeuchte 91 %.
- Ufer‑Reflexion reduziert Pegel um ~1,3 dB gegenüber Mitte.
- Notebook‑Restart nach 2 h 36 min, keine Datenverluste.
- Erste Resonanzkreise ~0,2 m Radius nach Sound‑Playback.
Servus Donau, bis zur nächsten Nachtaufnahme.
Bei nächtlichen Außenaufnahmen stets gut sichtbare Kleidung tragen, auf sichere Standorte achten und keine Ausrüstung in unmittelbarer Nähe des Wassers ohne Sicherung platzieren. Wetterbedingungen vorher prüfen und auf mögliche Stromquellen in Feuchtigkeitssituationen achten.
Klangaufnahmen des öffentlichen Raums sollten respektvoll behandelt und nur im Rahmen künstlerischer oder wissenschaftlicher Projekte genutzt werden. Persönliche Gespräche oder identifiable Stimmen von Menschen in der Nähe sind zu vermeiden und nicht zu veröffentlichen.
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Diagramme
Begriffe kurz erklärt
- Samplerate: Die Samplerate gibt an, wie viele Messwerte pro Sekunde aufgenommen werden – etwa 44.100 Hz bei Tonaufnahmen.
- FFT‑Auflösung: Die FFT‑Auflösung bestimmt, wie fein das Frequenzspektrum aufgeteilt wird – mehr Punkte zeigen kleinere Unterschiede besser.
- XLR‑Stecker: Ein XLR‑Stecker ist ein robuster, oft dreipoliger Audio‑Stecker für Mikrofone oder Studiotechnik.
- Audiointerface: Ein Audiointerface wandelt analoge Signale in digitale um und verbindet Instrumente oder Mikrofone mit dem Computer.
- FFT_peak: Der FFT_peak bezeichnet die höchste Amplitude im Frequenzbereich, also den stärksten Ton oder Signalanteil.
- harmonic_band: Ein harmonic_band ist der Bereich von Frequenzen, in dem sich harmonische Obertöne eines Grundtons befinden.
- Richtcharakteristik: Die Richtcharakteristik zeigt, aus welchen Richtungen ein Mikrofon Schall am besten aufnimmt.
- MATLAB‑Bridge: Die MATLAB‑Bridge ist eine Software‑Schnittstelle, um Daten zwischen einem Programm und MATLAB auszutauschen.
- SpectrumLab: SpectrumLab ist ein Analyseprogramm, das Audiosignale in Echtzeit als Spektrum und Spektrogramm darstellen kann.
- Hanning‑Window: Ein Hanning‑Window ist eine mathematische Gewichtung, die bei der FFT Randstörungen im Signal glättet.
- Overlap: Overlap beschreibt, wie stark sich Messabschnitte bei einer Analyse überlappen, um flüssigere Ergebnisse zu erhalten.
- Hydrophon‑Test: Ein Hydrophon‑Test prüft, ob ein Unterwassermikrofon korrekt arbeitet und Signale sauber erfasst.
- Powerbank‑Inverter: Ein Powerbank‑Inverter wandelt die Gleichspannung einer Powerbank in Wechselspannung um, z. B. zum Betrieb kleiner Geräte.

